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DER KAMPF ZWISCHEN DEN TOTEN.
Orthodoxe und islamische Religion im kommunistischen Bulgarien

Wenzeslav Konstantinov

web

Das Reich der Bulgaren auf dem Balkan wurde im Jahre 681 gegründet. Schon im 9. Jahrhundert führte Zar Boris I. das Christentum ins Land ein. Die Konfession war griechischorthodox und kam von Konstantinopel, dem Sitz des Ökumenischen Patriarchen.

Zur gleichen Zeit entwickelten die Slawenapostel Kyrillos und Method die Kyrilliza, die kirchenslawische Schrift, die erst später in den orthodoxen Ländern Serbien und Rußland Verbreitung finden sollte.

Ende des 10. Jahrhunderts bildete sich die autokephale Landeskirche Bulgariens mit einem eigenen Patriarchat. Damals herrschte ein reges religiöses Leben, es wurde z. B. das berühmte Rilakloster gegründet, dessen Geschichte mit den Großtaten des heiligen Iwan von Rila, eines Mönches und Einsiedlers, begann.

l. Zwischen Feindschaft und Duldsamkeit

Seit Mitte des 14. Jahrhunderts eroberten die islamischen Osmanen die Balkanhalbinsel, vernichteten das Bulgarische Reich und, im Jahre 1453, durch Einnahme Konstantinopels, auch das Byzantinische Reich.

Da Judentum und Christentum nach dem Koran durch, von Propheten überbrachte, echte Offenbarungsbücher begründet wurden, sollten die Bulgaren unter den Osmanen zunächst den Sonderstatus von "Schriftbesitzern" genießen, die nach islamischem Recht gegen Zahlung einer Sondersteuer ihre Religion beibehalten durften. Bajasid und Mohammed, die ersten türkischen Sultane nach der Eroberung Bulgariens, bestätigten die dem Rilakloster von den letzten bulgarischen Zaren verliehenen Privilegien.

In der Tat entfaltete sich aber ein Glaubenskampf auf dem Balkan, der sich besonders im 17. Jahrhundert zuspitzen sollte, als der Niedergang des türkisch-islamischen Großreichs durch den zweiten mifslungenen Versuch im Jahre 1683, Wien einzunehmen, bereits angekündigt war. Viele bulgarische Christen wurden im Heiligen Krieg gegen die Ungläubigen "mit Feuer und Schwert" islamisiert und türkisiert. Im Jahre 1766 wurde auch die selbständige bulgarische Kirche vernichtet.

In "Masse und Macht" zitiert Elias Canetti "einen der besten Kenner des Islams", der sagt: "Mohammed ist ein Prophet des Kampfes und des Krieges... Was er zunächst in seinem arabischen Umkreis getan, das hinterläßt er als Testament für die Zukunft seiner Gemeinde: Bekämpfung der Ungläubigen, die Ausbreitung nicht so sehr des Glaubens als seiner Machtsphäre, die die Machtsphäre Allahs ist."1

"Alle plötzlich verbotenen Religionen rächen sich durch eine Art Verweltlichung",2 bemerkt Canetti. Die orthodoxe bulgarische Kirche bekam nach ihrer Unterdrückung durch die Türken tatsächlich einen ausgeprägten weltlichen Charakter. Seitdem sah sie ihre wichtigste Aufgabe darin, die Kultur- und Glaubenstraditionen im Lande zu wahren und den Geist des nationalen Widerstands zu unterstützen.

Noch 1762 hatte der Wandermönch Paissi von Chilendar ein Buch unter dem Titel "Slawisch-bulgarische Geschichte über das Volk und über die bulgarischen Zaren und Heiligen und alle bulgarischen Taten und die bulgarische Vergangenheit" verfaßt und als Manuskript verbreitet. In seiner Geschichte kompilierte der Mönch unterschiedlichste Quellen, bezog biblische und religiöse Motive, Wundergeschichten und Legenden ein, und zwar mit dem einzigen Zweck, den Bulgaren unter türkischer politischer und religiöser Fremdherrschaft Selbstvertrauen zu vermitteln und ihre nationale Identität ausprägen zu helfen.

Paissis Schrift war das erste Zeichen der sogenannten "Bulgarischen Wiedergeburt", die etwa bis zum Ausgang des 19. Jahrhunderts andauern sollte. Der Kampf um nationale Befreiung fiel mit dem Ringen um religiöse Unabhängigkeit zusammen. Im Jahre 1871 wurde die selbständige Bulgarische Orthodoxe Kirche infolge dieses Kampfes neu errichtet. Fünf Jahre danach brach der Aprilaufstand aus, der durch einen Novizen, den von den Türken gehängten Diakon Wassil Lewski, vorbereitet worden war und 1878 zur Befreiung Bulgariens durch die Russen im Russisch-Türkischen Krieg führen sollte.

Die osmanische Fremdherrschaft im Lande hatte etwa 500 Jahre gedauert und hinterließ unlösbare ethnische und religiöse Probleme. Der in Bulgarien geborene Elias Canetti bemerkte über Rustschuk, seinen Heimatort: "...es lebten dort Menschen der verschiedensten Herkunft, an einem Tag konnte man sieben oder acht Sprachen hören. Außer den Bulgaren, die oft vom Lande kamen, gab es noch viele Türken, die ein eigenes Viertel bewohnten, und an dieses angrenzend lag das Viertel der Spaniolen, das unsere. Es gab Griechen, Albanesen, Armenier, Zigeuner. Vom gegenüberliegenden Ufer der Donau kamen Rumänen... Es gab, vereinzelt, auch Russen."3 Und dann: "Die übrige Welt hieß dort Europa, und wenn jemand die Donau hinauf nach Wien fuhr, sagte man, er fährt nach Europa, Europa begann dort, wo das türkische Reich einmal geendet hatte. Von den Spaniolen waren die meisten noch türkische Staatsbürger. Es war ihnen unter den Türken immer gut gegangen, besser als den christlichen Balkanslawen."4

Mit der Beschreibung der kleinen bulgarischen Donaustadt und der Andeutung der Glaubensproblematik in ihr gibt Canetti ein wahres Bild der ethnischen und gesellschaftlichen Struktur des Landes um die Jahrhundertwende. Es gab nach der Befreiung eine große Anzahl von Moslems in Bulgarien, die aus Türken, Pomaken - einst islamisierte Bulgaren - und Zigeunern bestand.

Spannungen zwischen Bulgaren und Türken auch religiöser Art gab es insbesondere zur Zeit der beiden Balkankriege. Im ersten (1912) kämpfte Bulgarien gemeinsam mit Serbien, Griechenland und Montenegro gegen die Türkei, um die türkisch beherrschten Gebiete auf der Balkanhalbinsel zu befreien. Nach dem Sieg über die Türkei vermochten es die Verbündeten allerdings nicht, sich über die Aufteilung der eingenommenen Territorien zu einigen. So kam es zum zweiten Balkankrieg (1913), in dem Serbien, Griechenland, Rumänien und die Türkei gegen Bulgarien kämpften und ihm eine schwere Niederlage zufügten. 1915 trat Bulgarien in den Weltkrieg auf der Seite der Mittelmächte ein, und zwar mit der Hoffnung, die Ergebnisse des zweiten Balkankrieges revidieren zu können. Auch dieser Krieg endete für Bulgarien mit einer Katastrophe. Die ethnischen und religiösen Feindseligkeiten im Lande verschärften sich - als Folge der krassen Verschlechterung der Lebensbedingungen nach den Kriegen. Nachdem jedoch der Kemalismus die Türkei in einen laizistischen Staat verwandelte, machte sich auch eine allmähliche Beruhigung in den Beziehungen des christlichen Teils der bulgarischen Bevölkerung zur islamischen Minderheit bemerkbar. Diese langsam und schwer erlangte Duldsamkeit sollte allerdings nur bis zum Ausgang des Zweiten Weltkrieges bestehen.

2. Die neue Religion

Am 5. September 1944 erklärte die Sowjetunion Bulgarien den Krieg, und drei Tage danach marschierten sowjetische Truppen ins Land ein. Unter deren Schutz nahmen Partisanen die Hauptstadt ein und bildeten gleich eine sogenannte "Regierung der Vaterländischen Front", in der die Kommunisten zwei Jahre lang nur eine Minderheit darstellen sollten. Das bulgarische Volk leistete im großen und ganzen politischen Widerstand gegen sie. Die Kommunisten hatten jedoch das Ministerium für Inneres, das Ministerium für Post-, Fernmeldewesen und Zensur sowie das Ministerium für Justiz übernommen, so daß es ihnen nicht schwerfiel, einen roten Terror nach bolschewistischem Vorbild zu entfachen. Verhaftet und grausam ermordet wurden Bauern auf dem Lande, Staatsbeamte, reiche Handelsleute, Professoren, Offiziere im Dienst und außer Dienst, Journalisten und Schriftsteller sowie viele Geistliche verschiedener Konfessionen. Nach vorsichtigen offiziellen Schätzungen fielen etwa 140.000 Menschen schon in der ersten Zeit dem Terror zum Opfer: in einem Land mit damals sieben Millionen Einwohnern rund zwei Prozent der Gesamtbevölkerung.

Auf diesem Wege gelang es den bulgarischen Kommunisten, bei den nächsten Wahlen Ende 1945 bereits 88,2 Prozent der Stimmen für die Vaterländische Front zu erringen: eine bemerkenswerte Wahlverwandtschaft mit den deutschen Nationalsozialisten zwölf Jahre zuvor! Die kommunistische Macht, durch Präsenz sowjetischer Truppen unterstützt, zerschlug 1947 die sogenannten "konterrevolutionären Gruppierungen" in Bulgarien. Die Opposition wurde abgeschafft, Volksabgeordnete wurden in Schauprozessen "verurteilt und hingerichtet".

Diese Schauprozesse gehörten zur "Dynamik des Krieges", der geführt wurde; sie stellten, im Sinne von Canettis "Masse und Macht", "öffentliche Hinrichtungen von Gefangenen" dar und hatten die Funktion von "Siegesfesten", bei denen die Kommunisten, "nicht mehr im Gefühl unmittelbarer Bedrohung, erlebten, wie der Feind vermindert wird".5 Die Wirkung dieser Schauprozesse auf die Bevölkerung war von "doppelter Natur". Sie erwiesen sich als das unfehlbarste Mittel, "das Volk... im Zustand einer religiös ergebenen Masse zu erhalten"; sie hielten aber auch den Schrecken vor den Befehlen der Machthaber wach.6

Auf diese Weise wurde die Bulgarische Kommunistische Partei alleinregierend; sie verwandelte sich in eine Staatspartei, die ihrerseits den Staat nach sowjetischem Vorbild in einen Parteistaat mit allen Merkmalen eines mittelalterlichen Kirchenstaates verwandelte. Die bolschewistische Partei Lenins, unter deren direkter Leitung die Bulgarische Kommunistische Partei existierte, war aus der Praxis der russischen orthodoxen Kirche entstanden. In seinem Buch "Iwan der Dumme. Vom russischen Volksglauben" spricht Andrej Sinjawskij von der "eschatologischen Gestimmtheit der Russen", die zur raschen Christianisierung des Landes beigetragen hatte.7 Nun hatte dieselbe eschatologische Gestimmtheit zur raschen Bolschewisierung Rußlands beigetragen, denn das kommunistische Dogma und Lenins messianische Überzeugung, daß gerade das rückständige Rußland dafür bestimmt sei, die "Brücke" zwischen der "asiatisch-antiimperialistischen" und der "europäisch-proletarischen" Revolution zu werden und dadurch die erlösende Weltrevolution zu bewirken, boten dem russischen Volk einen annehmbaren Ersatz für den verpönten christlichen Glauben. In seinem noch 1905 verfaßten Aufsatz "Sozialismus und Religion" schrieb Lenin: "Durch die Fabrik der Großindustrie erzogen und durch das städtische Leben aufgeklärt, wirft der moderne, klassenbewußte Arbeiter die religiösen Vorurteile mit Verachtung von sich, überläßt den Himmel den Pfaffen und bürgerlichen Frömmlern und erkämpft sich ein besseres Leben hier auf Erden. Das moderne Proletariat bekennt sich zum Sozialismus, der die Wissenschaft in den Dienst des Kampfes gegen den religiösen Nebel stellt und die Arbeiter vom Glauben an ein jenseitiges Leben dadurch befreit, daß er sie zum diesseitigen Kampf für ein besseres irdisches Leben zusammenschließt."8

Mit dem Drängen auf ein Glaubensbekenntnis zum Sozialismus als Erlösung von den Nöten des irdischen Lebens deutet Lenin auf die Entstehung einer neuen Religionsgemeinschaft hin, nämlich auf die des "modernen Proletariats" aller Länder, die durch den Glauben an ein "Paradies auf Erden" zu einem neuen religiösen Erlebnis kommen sollte.

Der Gensek (Generalsekretär) Josef Stalin, der selbst Priesterseminarist gewesen war und die Feinheiten der russisch-orthodoxen Kirchenordnung sowie deren ideologische Methoden durchschaut hatte, gestaltete die bolschewistische "Partei neuen Typs" und dann, seit Mitte der 20er Jahre, auch ihr Verhältnis zu den "Bruderparteien" nach den Grundsätzen der Orthodoxie: Die "kommunistische Weltbewegung" wurde nicht wie die katholische Kirche zentral organisiert, sondern sie bestand, wie die griechisch-orthodoxe Kirche, aus einzelnen, durch die Einheit des Dogmas und des Kults miteinander verbundenen Patriarchaten, d. h. Parteien. Die bedeutendste und die mächtigste unter ihnen blieb allerdings die russische, an deren Spitze der Patriarch, d. h. der Gensek von Moskau und ganz Sowjetrußland stand. Wie einst der Zar, war nun auch das Sowjetstaatsoberhaupt zugleich Oberhaupt der Kirche, d. h. der Partei. Hierzu eine aufschlußreiche Bemerkung von Wolfgang Kraus: "Moskau verstand sich schon früh als Erbe der Kultur und der politischen Position von Konstantinopel. Die berühmten Worte des Starez Filofej von Pskow durchziehen die Geschichte Rußlands in verschiedenen Inhaltsvarianten bis heute, sie waren 1533 an den Zaren gerichtet und formulierten ein längst bestehendes kulturelles und religiöses Bewußtsein: (Unser Herrscher) 'ist der einzige Zar über die Christen, der Führer der apostolischen Kirche, die statt in Rom und in Konstantinopel in der gesegneten Stadt Moskau steht. Sie allein leuchtet auf der ganzen Welt heller als die Sonne, denn wisse, du frommer: alle christlichen Reiche sind abgelaufen und sind zusammen übergegangen in das Reich unseres Herrschers... Denn zwei Reiche sind gefallen, aber das dritte steht, und ein viertes wird es nicht geben... Das Dritte Rom ist das neue große Rußland!'"9

In seinem 1909 veröffentlichten Aufsatz "Über das Verhältnis der Arbeiterpartei zur Religion" bemerkte Lenin, daß "Engels in seinem Werk über Ludwig Feuerbach diesem vorwirft, er habe die Religion bekämpft, nicht um sie abzuschaffen, sondern um sie zu erneuern, um eine neue, 'höhere' Religion zu konstruieren".10

Heutzutage würde Engels dem Erfinder des bolschewistischen Mythos von der "heiligen russischen Revolution" dasselbe vorwerfen können. Dies tat allerdings ein anderer: Michail Gorbatschow, der letzte Gensek, schrieb vor dem Zerfall des Kommunismus und des "neuen großen Rußland": "Die besondere Situation des Landes ließ uns zu Formen und Methoden des sozialistischen Aufbaus greifen, die den historischen Bedingungen angemessen waren. Diese Formen wurden jedoch kanonisiert, idealisiert und zu Dogmen erklärt."11

Der Marxismus-Leninismus, diese neue Weltreligion, faßte sehr rasch Fuß in Bulgarien. Ein Grund dafür mag in der Tatsache liegen, daß die orthodoxe Konfession byzantinischer Prägung sowohl in Rußland als auch in Bulgarien vorherrschend ist. Die nahe Verwandtschaft der Sprachen und die gemeinsame kyrillische Schrift sowie "die traditionelle Russophilie der Bulgaren"12 hatten wesentlich dazu beigetragen, daß russische Bücher von Volksintelligenzlern als eine Art Offenbarung aufgenommen wurden. Man glaubte an Lenin wie an einen religiösen Propheten, Man glaubte an den Mythos vom neuen Licht, das von Osten kommt, was eigentlich der alte Glaube an ex Oriente lux ist. Für die Massen war Karl Marx etwa der Gott, der die Heilige Schrift hinterlassen hatte; der Messias, der allmächtige Erlöser, der alles Geschriebene vollbringen würde, war der Gensek Josef Stalin, dessen heiliges Bild in keinem proletarischen Haus fehlen durfte, damit man seine göttliche Größe und Gnade sinnlich erlebte, und dessen Vita in politischen Zirkeln als eine Art Evangelium studiert wurde. Der Kirchenvater Bulgariens, der rote Patriarch, wurde Georgi Dimitroff, "der Held von Leipzig", und der Heilige Synod hieß nun Zentralkomitee plus Politbüro. Die Rolle der Heiligen Inquisition übernahmen die Miliz und der Staatssicherheitsdienst. Es war auch ein eschatologisches Ziel da, "ein geheimnisvoll Gemeinsames in der Ferne"13: die kommunistische klassenlose Gesellschaft.

Die Partei war wie die orthodoxe Kirche durchstrukturiert, hierarchisch gegliedert. Jeder Parteitag, jede "Manifestation der Werktätigen", ähnelte einem Gottesdienst. Die Partei und der Gensek, ihr Führer, wurden sakralisiert, für unfehlbar und unanfechtbar erklärt. Ein bulgarischer Dichter hatte schon in den 20er Jahren von seiner heiligen kommunistischen Partei geschrieben: "Ich weiß, ich glaube, du bist sogar dann im Recht, auch wenn du sündigst."14

Die Vergottung der Partei und ihres Führers hatte in Bulgarien ziemlich orientalische Züge: Nach dem Tode des Genseks Dimitroff im Jahre 1949 wurde seine Leiche einbalsamiert und als Reliquie in einem Mausoleum im Zentrum der Hauptstadt zur Schau gestellt, damit "die breiten Massen" als Klagemeute ihn anbeten und ständig beweinen konnten. Im Sinne von Canetti war Dimitroff "der erste Tote"15 der kommunistischen Partei, er wurde "Führer und Lehrer des bulgarischen Volkes" genannt, er war also ein "kostbarer Toter"16, sein Tod sollte die Bevölkerung als Masse zähmen und verlangsamen, um die Partei enger zusammenzuschließen und aus der Klagemeute dann eine militant gesinnte Kriegsmeute zu machen.

Denn der Marxismus-Leninismus entpuppte sich auch in Bulgarien als eine Religion des Krieges, die ohne das Bild eines zu bekämpfenden Feindes nicht denkbar war. Die sogenannte "sozialistische Gesellschaft" war von militanten Ritualen und Symbolen durchdrungen, die Kinder wurden in der Schule auf einen kommenden Krieg vorbereitet und entsprechend gedrillt; Kriege waren die Mittel zum Erlangen eines heiligen Zwecks: der vollständigen Gerechtigkeit auf Erden.

Unter diesen Umständen war die Einstellung der Bulgarischen Kommunistischen Partei zur orthodoxen Religion eindeutig: Die Partei stand mit der praxisverwandten Kirche in Rivalität und konnte sie infolgedessen nicht dulden. Trotz der Forderung Lenins, im propagandistischen Kampf gegen die Kirche die religiösen Gefühle der Gläubigen zu achten, wurden in Bulgarien nach 1944 viele christliche Gotteshäuser und Klöster zweckentfremdet und stark beschädigt. Es gab Fälle, wo Schulkinder, von Lehrern angeführt, in alte Kirchen eindrangen und die Ikonen oder die Fresken an den Wänden mit Beilen zerstörten. Das berühmte Rilakloster wurde zum Nationalmuseum erklärt, die Mönche davongejagt. Die orthodoxe Religion wurde als "bürgerliches Überbleibsel" betrachtet, das im besten Fall ins Museum gehört.

3. Der "Wiedergeburtsprozeß"

Dem Islam, der Religion der türkischen Minderheit in Bulgarien, erging es unter dem Kommunismus im Grunde nicht besser, jedoch anders.

Nach dem Zusammenbruch des türkisch-islamischen Großreichs im Jahre 1918 waren die bulgarischen Türken von ihren Glaubensbrüdern jenseits der Staatsgrenze getrennt worden. Sie lebten vor allem im Süden des Landes (Rhodopen-Gebirge) und im Norden (Deliorman). Die meisten von ihnen waren arme Leute, gutnachbarlich gestimmt, sehr fleißig und öfters des Lesens und Schreibens unkundig. Weder politisch noch konfessionell bereiteten sie dem Staat Schwierigkeiten. Es erwuchs jedoch aus ihnen eine große Gefahr für die bulgarische Nation.

Die Moslems in Bulgarien verwandelten sich mit der Zeit von einer kriegerischen in eine, im Sinne von Canetti, "milde Masse", sie waren "kein gehässiger Feind" mehr, "den man bekämpfen muß"17. Sie fühlten sich schwach und waren zahlenmäßig den Christen zunächst ganz und gar unterlegen. Um ihre Verletzbarkeit und Hilflosigkeit, ihre Vereinzelung zu überwinden, bildeten sie große Familien mit vielen Kindern. Sie waren - und sind bis heute noch - von einer wahren "Leidenschaft für Vermehrung" ergriffen und stellten eine Art "Vermehrungsmeute" dar. Die wesentlichen Massen in ihrem Leben sind - so wie bei den Pueblo-Indianern - die Kinder und die Ahnen, die immer "friedlich und wohlwollend" waren. "An Kriegen sind sie nicht interessiert, ihr Leben hängt ganz an ihren eigenen Ahnen und Kindern."18 Diese Bemerkung Canettis von den Pueblos gilt auch für die bulgarischen Mohammedaner.

Die Gefahr, die von der raschen Vermehrung dieser Volksgruppe ausging, hat man in Bulgarien von offizieller Seite schon früh erkannt und auch versucht, sie in irgendeiner Weise zu bekämpfen: sei es durch gezielten Druck, um die Größe der mohammedanischen Familien zu reduzieren, sei es durch Vertreibung in die Türkei.

Seit 1937 setzte sich in Bulgarien eine Aufklärungstendenz durch, die in der sogenannten "Heimatbewegung" um die Bildungsorganisation "Rodina" in den Rhodopen ihren Niederschlag fand. Das Ziel der Bewegung war, die "nationale Konsolidierung der bulgarischen Bevölkerung beider Konfessionen" zu erlangen. Unter Konsolidierung verstand man jedoch die kulturelle Assimilation der Mohammedaner und das allmähliche Aufgehen vor allem der türkischen Minderheit im bulgarischen Volk.19

Nach der sogenannten "sozialistischen Revolution" im Jahre 1944 änderte sich die Lage der Mohammedaner in Bulgarien zunächst paradox zum Besseren, obwohl sie bereits auf eine halbe Million angewachsen waren.

Bekanntlich hatte Josef Stalin 1925 den Aufbau des "Sozialismus in einein Land" verkündet, weil die ersehnte Weltrevolution ausgeblieben war. Nach dem Zweiten Weltkrieg aber, als die Kommunisten in den von der Roten Armee besetzten Ländern in Ost- und Mitteleuropa die Macht ergriffen und nach sowjetischer Weisung ebenfalls mit dem Aufbau des Sozialismus begannen, erinnerte sich der Gensek an Lenins These von Rußland als "Brücke" und entfaltete eine totale "Ausfuhr von Revolution" vor allem in die islamischen Staaten.

Nun sollten die kommunistischen Machthaber in Bulgarien auf Stalins Anordnung hin das Land zu einem Mehrvölkerstaat erklären, der verschiedene, meist erfundene Nationalitäten wie Thraker, Mazedonier, Türken u. a. neben den Bulgaren zu umfassen hatte. Das Ziel Stalins war, einerseits die bulgarische Bevölkerung in möglichst viele Volksgruppen zu spalten, die man gegeneinander einnehmen und nach dem Grundsatz divide et impera regieren könnte, andererseits aber den Moslems in der Dritten Welt ein Beispiel sozialistischer Glaubenstoleranz vorzutäuschen. Als Folge davon wurden die bulgarischen Mohammedaner als rasch anwachsende Volksgruppe zunächst nicht nur offiziell geduldet, sondern auch in vielem privilegiert: junge Mohammedaner konnten z. B. leichter einen Studienplatz bekommen.

Nach Stalins Tod aber, als seine persönliche Diktatur durch Chruschtschow verurteilt wurde, und insbesondere nach dem darauffolgenden April-Plenum der Bulgarischen Kommunistischen Partei im Jahre 1956 kam eine abermalige Assimilationspolitik gegenüber dem islamischen Teil der Bevölkerung unmerklich in Gang. In den Jahren danach wurden zunächst Zigeuner, dann auch alle Pomaken zwangsweise bulgarisiert, indem man ihnen christliche Namen gab. Dies geschah allerdings ohne große Erschütterung, denn Pomaken wie Zigeuner waren weder Bulgaren noch Türken und daher von beiden Seiten oft mißachtet gewesen; viele von ihnen strebten ohnedies nach sozialer Anpassung.

Seit 1982 wuchs jedoch auch der Druck auf die bulgarischen Türken. Man fing damit an, den christlichen Teil der Bevölkerung zu einer durch Fremdenhaß genährten patriotischen Haltung zu erziehen. Die Mohammedaner wurden als "innere Feinde des Sozialismus" dargestellt. Auf diese Weise sollte eine - im Sinne von Canetti - "gemeinsame Jagd"20 ausbrechen, die das durch die zunehmende Krise des Sozialismus verunsicherte Volk zu konsolidieren hatte. So wurde die christliche "Jagdmeute" gegen die islamische "Vermehrungsmeute" aufgehetzt. Dies war allerdings nur eine Vorbereitungsphase, die bis 1984 dauern sollte, als in einem geheimen Plenum des kommunistischen Politbüros - analog zur nationalsozialistischen Wannseekonferenz 1942 - die Endlösung der Türkenfrage in Bulgarien beschlossen wurde: Alle Mohammedaner sollten durch Namensänderung verbulgarisiert und ein beträchtlicher Teil von ihnen darüber hinaus zur Auswanderung in die Türkei gezwungen werden.

Die Christianisierung der Namen bei den bulgarischen Türken wurde offiziell als Wiederherstellung ihrer einst islamisierten bulgarischen Namen und als "Wiedergeburtsprozeß" bezeichnet. Die Aktion startete ausgerechnet am 24. Dezember 1984 (im Jahr Orwells!), am christlichen Weihnachtsabend, und zwar in den türkischen Dörfern im Kreis Kyrdshali, unmittelbar an der Grenze zur Türkei. Dorthin wurde Militär mit Panzerwagen und Wasserwerfern geschickt, es wurde geschossen, es gab viele Tote, unter ihnen auch Kinder und Babys. Die Türken durften ihre Toten nicht am Tag, sondern nur nachts stillschweigend beerdigen. Wer sich weigerte, einen christlichen Namen anzunehmen, wurde gefoltert, viele wurden als "türkische Agenten" wegen Landesverrats zu einer Haft bis zu 20 Jahren verurteilt. Islamische "Aktivisten" wurden über Nacht in die Türkei abgeschoben. Es gab auch Aussiedlungen, unbeugsame Familien wurden getrennt.21 Die Türken gaben aber ihre Namen nicht so leicht auf.

In seinen "Aufzeichnungen" bemerkt Elias Canetti: "Die Buchstaben des eigenen Namens haben eine furchtbare Magie, als sei die Welt aus ihnen zusammengesetzt."22 Nach dem Koran ist der Mensch von Allah mit einer besonderen Würde ausgestattet. Die einzige Sünde, die Gott nicht vergibt, ist die "Beigesellung", d. h. die Vielgötterei; demzufolge seien Religions- und Namensänderung sündiges Handeln, wofür der Mensch mit Strafen Gottes im Diesseits und Jenseits zu rechnen hat. Daher ist die Christianisierung der islamischen Namen für die bulgarischen Türken mit dem Tod gleichzusetzen. Das Namensverbot - wie das Verbot der Spiegel in Canettis "Komödie der Eitelkeit" - bedeutet Vernichtung der eigenen Identität.

Der zweite Akt des Dramas setzte ein, als die kommunistischen Behörden auch die Namen der toten Türken zu ändern begannen, und zwar mit der "wissenschaftlichen" Begründung, diese Toten seien einst Bulgaren gewesen, die im 17. Jahrhundert zwangsweise türkisiert worden seien; nun gebe ihnen die Volksmacht ihre alten christlichen Namen sowie ihre eigentliche Identität zurück.

Bei den bulgarischen Türken ist die Verehrung für die Toten sehr groß. Während des Bairams besuchen die Mohammedaner die Gräber ihrer toten Ahnen, um sich vor ihnen zu verneigen. So wurde der Höhepunkt der Aktion erreicht, als man anfing, islamische Friedhöfe in Bulgarien mit Planierraupen zu tilgen und Gräber samt Grabsteinen einzuebnen. Dadurch haben die Kommunisten an ihren ehemaligen Günstlingen, den Mohammedanern, das Jüngste Gericht vollzogen. Ihnen wurde die Heimat zu einem "Reich der Feindschaft"23 und des Todes.

Der dritte und letzte Akt des Dramas "Wiedergeburtsprozeß", das etwa fünf Jahre andauern sollte, war die Vertreibung der Mohammedaner aus dem "Tempel Bulgarien". Unter dem gewaltigen Druck der Namensänderung und der Gräbervernichtung wanderten etwa 300.000 bulgarische Türken im Sommer 1989 in die Türkei aus. Man nannte sie verächtlich "Exkursianten", denn sie durften nur einen Touristenpaß beantragen. Um diesen zu bekommen, hatten sie vorzuweisen, daß sie ihr Hab und Gut einem Volksrat verkauft hatten. (Viele, die nach dem politischen Umbruch von der "Exkursion" in der Türkei zurückkamen, konnten zwar ihre islamischen Namen, aber kaum mehr ihre spottbillig abgegebenen Immobilien zurückkriegen. Manche türkische Häuser waren inzwischen mit Planierraupen niedergerissen worden.) In diesen schweren Tagen konnte man bei dem christlichen Teil der bulgarischen Bevölkerung allerdings viele Zeichen von Solidarität mit den in Not geratenen mohammedanischen Mitbürgern feststellen. Die Empörung gegen die Kommunisten nahm allseits zu.24

Als Weltreligion des Krieges war der Marxismus-Leninismus auch in Bulgarien auf Weltkrieg eingestellt. Nachdem aber der ersehnte Krieg als Massenentladung infolge der atomaren Abschreckung ausbleiben sollte, mußte das kommunistische System verfallen. In der Zerfallsphase brauchten die Machthaber in Bulgarien einen realen Feind, um einen konsolidierenden kleinen und doch "heiligen" Krieg führen zu können. Diesen Feind hatte man in den schnell anwachsenden und sozialistisch ungläubigen Mohammedanern gefunden. Es war zu befürchten, daß sie nach Überschreiten der Millionengrenze Autonomie verlangen, eine eigene Republik gründen, sich dann vom sozialistischen Bulgarien abspalten und der kapitalistischen Türkei anschließen würden.

Jahrelang hatten die Kommunisten auf die nachkommenden Generationen gebaut. Georgi Dimitroff, der erste bulgarische Gensek, schwärmte von einer Bevölkerung von 10 Millionen unter seiner und seiner Partei Führung. Dieser Traum von "raschester Vermehrung" sollte allerdings gerade unter den Bedingungen des "realen Sozialismus" unerfüllt bleiben: Die Geburtenziffer in Bulgarien war und ist - ungeachtet der schnellen Vermehrung bei den Mohammedanern - eine der niedrigsten in Europa. Trotz drakonischer Maßnahmen, wie strengstes Abtreibungsverbot, Ledigensteuer bis 15 Prozent usw., zeigten die Bulgaren kein "Klassenbewußtsein" und wollten sich nicht auf Befehl vermehren. "Im Islam, wie in allen Religionen, sind unsichtbare Massen von der größten Bedeutung"25, stellt Canetti fest. Die bulgarischen Kommunisten hatten die Massen der noch nicht Geborenen offensichtlich verloren, so wandten sie sich den Massen der Toten zu. "Die Toten können - anders als die Lebenden, die sich vermehren, die aber auch wegsterben, weniger werden können - nur mehr werden, immer mehr. Das ist es, was an ihnen faszinierend wirkt und ängstigend zugleich"26, bemerkt Edgar Piel. Und in einem Gespräch von 1971 ergänzt Canetti: "Die Masse der Toten ist das Kerngefühl im Nationalismus, die Masse der Nachgeborenen im Sozialismus. Beides ist aber zugleich in den Menschen wirksam. Und eine der auffallendsten Erscheinungen, gerade auch in den politischen Bewegungen unserer Zeit, ist die Verquickung des Gefühls des Nationalismus mit dem des Sozialismus."27

Durch die Akzentverschiebung von der Masse der noch nicht Geborenen auf die Masse der Toten verwandelten sich die bulgarischen Machthaber über Nacht von Sozialisten in Nationalisten. Sie ließen die Masse der toten Christen gegen die Masse der toten Mohammedaner für ihr Überleben an der Macht kämpfen. Nachdem die Toten im "Wiedergeburtsprozeß" nochmals getötet wurden, sollte der ewige Frieden eintreten: die toten Toten und die lebensberechtigten Toten sollten sich im heiligen nationalistisch-sozialistischen Geist verbrüdern. Angesichts dieser vereinigten Masse der Toten sollten sich die Kommunisten in ihrer bereits schwindenden Macht als Überlebende gestärkt fühlen. Denn der "Augenblick des Überlebens ist der Augenblick der Macht".28

4. Die zurückgewonnene Demokratie

Am 10. November 1989 wurde der bulgarische Gensek Todor Shivkov als Ergebnis eines Putsches im Politbüro gestürzt. Dazu trug jedoch auch die politische Erhebung im Lande infolge der Mohammedanerverfolgung bei. Der damalige Führer der "Union demokratischer Kräfte" und gegenwärtige Präsident Bulgariens, der Philosoph Shelju Shelev, bemerkte im Nachwort zu seinem vorher verbotenen Buch "Der Faschismus": "In dem Moment, da sich die kommunistischen Parteien militarisierten, ihre Führungen zu massiven Repressalien griffen, als der ganze Unterdrückungsapparat aufgeboten wurde, da war im Grunde schon alles zu spät. Das 'bürgerliche Bewußtsein' erwachte, das totalitäre Regime zerbrach binnen Tagen und Wochen vor aller Augen, im 'faschistischen' Treiben jener Tage bildeten sich die unumkehrbaren Anfänge einer posttotalitären Entwicklung."29

Unter den kommunistischen Repressalien bekam die islamische Religion in Bulgarien - genau wie die christliche unter den türkischen Repressalien zwei Jahrhunderte zuvor - einen ausgeprägt weltlichen Charakter. Aus ihr entstand nach dem Umbruch die türkische "Bewegung für Rechte und Freiheit", die als politische Partei die Stimmen der bulgarischen Mohammedaner sammelte und heutzutage im Parlament mit etwa 10 Prozent der Sitze das Schicksal der islamischen Minderheit schmiedet.

Die ehemaligen Kommunisten, nun zu Sozialisten umgetauft, versuchen durch ihren frischgebackenen Nationalismus wieder Oberhand zu gewinnen. Mit ihrer Unterstützung bildete sich 1990 ein patriotisches "Volkskomitee für Verteidigung der nationalen Interessen", das nach Mitstreitern im Kampf gegen den "Panislamismus" sucht. Zur selben Zeit regte sich in der Türkei ein islamischer Fundamentalismus, der auch unter bulgarischen Türken Widerhall fand. Im großen und ganzen aber möchte das Volk keinen inneren Krieg mehr, zumal das Land ökonomisch am Boden ist. Die vorherrschende Stimmung bei der Bevölkerung wurde in einer Rede des Präsidenten Shelev im Mai 1990 so dargestellt: "Nachdem es das Regime von Todor Shivkov jahrzehntelang und besonders nach 1984 geschafft hat, ein extrem negatives Bild unseres Landes zu vermitteln - durch die berüchtigte Namensänderung bei den bulgarischen Mohammedanern, durch Waffen- und Drogenschmuggel, durch den Mord an dem Schriftsteller Georgi Markov, durch die Geschichte mit dem Papstattentat usw. -, wollen wir dieses Bild soweit wie möglich verändern. Wir wollen zeigen, daß es in Bulgarien auch demokratische Kräfte gibt, die nicht um die Macht kämpfen, sondern für demokratische Wandlungen, für eine Wiedergeburt des eigenen Landes."30

Der Begriff "Wiedergeburt" ist wohl im geschichtlichen Werdegang Bulgariens vielmals in Gebrauch genommen worden. Diesmal geschieht es jedoch nicht zuletzt im Ergebnis eines unsichtbaren Kampfes: dessen zwischen den Toten des Landes, der die Lebenden zu schicksalsträchtigen Taten bewegen sollte.

 

 

ANMERKUNGEN:

1. Elias Canetti, Masse und Macht, Hamburg 1984, S. 161 [back]

2. Ebd., S. 24 [back]

3. Elias Canetti, Die gerettete Zunge, München 1977, S. 10 [back]

4. Ebd., S. 11 [back]

5. Masse und Macht, S. 157 [back]

6. Ebd., S. 158-159 [back]

7. Siehe Andrej Sinjawskij, Iwan der Dumme. Vom russischen Volksglauben, Frankfurt am Main 1991 [back]

8. W. I. Lenin, Über die Religion. Eine Auswahl, Berlin 1986, S. 40 [back]

9. Wolfgang Kraus, "Gewinnen die Verlierer? Nach dem Zusammenbruch des Kommunismus", in: Europäische Rundschau, Wien 1991, H. 1, S. 25 [back]

10. W. I. Lenin, a. a. 0., S. 53 [back]

11. Michail Gorbatschow, Perestroika. Die zweite russische Revolution. Eine neue Politik für Europa und die Welt, München 1987, S. 54 [back]

12. Vgl. Shelju Shelev, "Ein Politiker kann stark sein, wenn er in der Tasche die Rücktrittserklärung hält" (bulg.), in: Debati, Sofia 1990. Zitiert nach Wolf Oschlies, "'Wer, wenn nicht Du - wann, wenn nicht jetzt?' Präsident Shelju Shelev und Bulgarien nach der 'Wende'", in: Europäische Rundschau, Wien 1991, H. 1, S. 84 [back]

13. Masse und Macht, S. 177 [back]

14. Hristo Radewski, An die Partei, 1929 [back]

15. Masse und Macht, S. 156 [back]

16. Ebd., S. 163 [back]

17. Ebd., S. 154 [back]

18. Ebd., S. 155 [back]

19. Siehe Swilen Kapssäsow, "Von den Rhodopen - ohne Schleier und Schminke" (bulg.), in: Swoboden narod. Sofia, 1.6.1990 [back]

20. Masse und Macht, S. 143 [back]

21. Siehe Kalina Bosewa, Parwan Stojanow, "Missionare des rechten Glaubens" (bulg.), in: Demokrazia, Sofia, 25.,26.,27.4.1990 [back]

22. Elias Canetti, Aufzeichnungen 1942-1948, München 1965, S. 18 [back]

23. Masse und Macht, S. 319 [back]

24. Siehe Sina Sokolowa, "Nach der großen Exkursion - Probleme in Schumen und Rasgrad" (bulg.), in: Rabotnitschesko delo, Sofia, 23.3.1990 [back]

25. Masse und Macht, S. 159 [back]

26. Edgar Piel, "Elias Canettis 'Masse und Macht'. Eine phantastische Anthropologie", in: Literatur und Kritik, Wien 1984, H. 183-184, S. 128 [back]

27. Rupprecht Slavko Baur, "Gespräch mit Elias Canetti", in: Literatur und Kritik, Wien 1972, H. 65, S. 279 [back]

28. Masse und Macht, S. 259 [back]

29. Vgl. Shelju Shelev, Der Faschismus (bulg.), Sofia 1982, 1990. Zitiert nach Wolf Oschlies, a. a. 0., S. 81 [back]

30. Zitiert nach Wolf Oschlies, a. a. 0., S. 81 [back]

 

 

© Wenzeslav Konstantinov
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© E-magazine LiterNet, 11.08.2004, No 8 (57)

Publication:
Masse, Macht & Religion. Wien: Löcker Verlag, 1993, S. 116-126.