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DER DICHTER UND SEIN HENKER
Zensurstreichungen in Dьrrenmatts Roman "Der Verdacht"

Wenzeslav Konstantinov

web

Durch die Prдsenz von Truppen der Roten Armee unterstьtzt, zerschlugen die bulgarischen Kommunisten 1947 die Opposition und im Lande begann auf sowjetische Weisung "der Aufbau der Grundlagen des Sozialismus". Als Erstes entfachte man eine Hexenjagd gegen alle "bьrgerlichen Ьberbleibsel und Verfallserscheinungen im neuen Leben". Das Wort "prowestlich" wurde zu einer gefдhrlichen politischen Einschдtzung. (In den 50er Jahren konnte man in Bulgarien von der Schule fliegen, wenn man z.B. enge Hosen trug, wie sie im Westen gerade modern waren, denn dies galt als ideologische Abweichung.)

So wurde auch das nunmehr von der kommunistischen Propaganda gesteuerte Bild des Abendlandes rasch verдndert: man ьbersah seine "technischen Errungenschaften" zwar nicht, es wurde jedoch darauf gepocht, daЯ der Westen ein Reich der Ausbeutung des Menschen durch den Menschen sei, dazu noch ein Nest des Zionismus und der "ideologischen Diversion" sowie der Spionage gegen das sozialistische Lager; die kapitalistischen Lдnder seien Polizeistaaten, in welchen Geldgier, Drogensucht und Lebensangst sowie ein maЯloser, ja hysterischer Antisowjetismus und Antikommunismus den Alltag der klassenbewuЯten Werktдtigen unheilvoll ьberschatteten.

Dieses Bild wurde allerdings offiziell sehr vorsichtig vermittelt; dies entsprach der "revolutionдren Taktik" der kommunistischen Regierung, welche die kapitalistischen Lдnder als Wirtschaftspartner brauchte. Jedoch in der bulgarischen Schule wurde "die schwierige Lage des Volkes unter dem Kapitalismus" jahrzehntelang gelehrt.

Fьr die kommunistische Propaganda war nicht nur die Wirtschaft, sondern auch der Kulturbetrieb des Westens durch ideologische Institutionen gesteuert worden. (Man ьbertrug die eigene Praxis auf die kapitalistische Welt, jedoch mit umgekehrtem Vorzeichen.) DemgemдЯ kцnnte kein westlicher Kьnstler frei aussagen, was ihm am Herz lдge, sondern nur das, was man von ihm abverlangt hдtte, dafьr wьrde er auch bezahlt. In manchen Literaturwerken seien jedoch auch fortschrittliche Gedanken festzustellen, denn im Grunde stьnden viele Schriftsteller auf der Seite des Volkes und versuchten, die eigenen Ansichten durch das Nadelцhr der Zensur zu schmuggeln. Daher seien Werke, die der kapitalistischen Lebensweise kritisch gegenьberstьnden, dem bulgarischen Volk nдherzubringen. Dies entsprдche der humanistischen Kulturpolitik der Partei.

Als ein solcher fortschrittlicher Autor galt in den 60er Jahren der Schweizer Friedrich Dьrrenmatt. Seine Stьcke "Der Besuch der alten Dame" und "Die Physiker" wurden als Satiren einer verkommenen, typisch kapitalistischen Gesellschaft mit groЯem Erfolg auf etlichen bulgarischen Bьhnen gespielt. Die Texte der Stьcke wurden sorgfдltig von "schдdlichen" Stellen "gereinigt" und, wenn nцtig, durch die Regie, welche die letzte Zensurinstanz darstellte, entsprechend "bereichert". Ein solches Verfahren galt als "parteiliches Herangehen an westliches Kulturgut".

Das Gleiche erging der 1972 im Jugendverlag Sofia verцffentlichten Ьbersetzung von Dьrrenmatts Roman "Der Verdacht"1. Es ist die Geschichte eines todkranken Berner Kriminalkommissдrs, der sich als Patient in die berьhmt-berьchtigte Zьricher Klinik "Sonnenstein" einweisen lдЯt, um die dunkle Vergangenheit deren Chefs als Lagerarzt im KZ Stutthof aufzudecken. Das einzige Opfer, das die grausamen medizinischen Experimente dort ьberlebt hat, ein geheimnisumwitterter Jude, hilft ihm dabei und rettet ihn zuletzt aus der Mausefalle.

Die Personen des 1953 in Zьrich erschienenen Originals machen Aussagen zur politischen und sozialen Lage in der Schweiz sowie der Welt der Nachkriegszeit, indem sie ihre eigene "Philosophie" zum Ausdruck bringen. Fьr den bulgarischen Zensor, d.h. den verдngstigten Verlagslektor, dessen innere Zensur oft noch strenger als die offizielle sein muЯte, waren alle ДuЯerungen in einem modernen schweizerischen Roman peinlich genau zu prьfen, zu "sдubern" und notfalls zu "berichtigen".

Wenn der alte Kriminalkommissдr, von seiner Entlassung aus dem Berner Kriminalamt erfahrend, eine kleine Rede hдlt und dabei einrдumt, daЯ "die bьrgerliche Weltordnung auch nicht mehr das Wahre sei..., man lasse die groЯen Schurken laufen und stecke die kleinen ein", dann ist das eine willkommene Aussage, zumal sie vom Polizeichef, also von einem Vertreter des kapitalistischen Staatsapparates, als "bцsartige Ansichten" qualifiziert wird. Die darauffolgende Einschдtzung des Alten aber, "die Welt sei daran, aus Nachlдssigkeit zum Teufel zu gehen und diese Gefahr sei noch grцЯer als der ganze Stalin und alle ьbrigen Josephe zusammengenommen"2, ist politisch falsch und muЯte berichtigt werden. Anstelle von "Stalin und alle ьbrigen Josephe" steht in der bulgarischen Ausgabe: "alle Unterdrьcker und Diktatoren"3.

Wenn eine ehemalige Kommunistin und Stalin-Opfer, nun Assistentin des Chefarztes, meint, daЯ "es unsere Pflicht sei, dieser Menschheit im Namen der Vernunft zu helfen, aus der Armut und aus der Ausbeutung herauszukommen", so ist diese Bemerkung linientreu und konnte bleiben. Dann fдhrt sie aber fort: "Mein Glaube war keine Phrase... Ich bin nach dem Lande geflьchtet, an das ich wie alle Kommunisten geglaubt habe, zu unser aller tugendhaftem Mьtterlein, nach der ehrwьrdigen Sowjetunion. O ich hatte meine Ьberzeugung und setzte sie der Welt entgegen... Unser Lehrsatz vom Kampf gegen das Bцse, der nie, unter keinen Umstдnden und unter keinen Verhдltnissen aufgegeben werden darf, stimmt im luftleeren Raum oder, was dasselbe ist, auf dem Schreibtisch; aber nicht auf dem Planeten, auf dem wir durch das Weltall rasen wie Hexen auf einem Besen. Mein Glauben war groЯ, so groЯ, daЯ ich nicht verzweifelte, als ich in das Elend der russischen Massen einging, in die Trostlosigkeit dieses gewaltigen Landes, das keine Gewalt, sondern nur noch die Freiheit des Geistes zu adeln vermцchte. Als die Russen mich in ihre Gefдngnisse vergruben und mich, ohne Verhцr und ohne Urteil, von einem Lager ins andere schoben, ohne daЯ ich wuЯte wozu, zweifelte ich nicht, daЯ auch dies im groЯen Plan der Geschichte einen Sinn habe. Als der famose Pakt zustande kam, den Herr Stalin mit Herrn Hitler schloЯ, sah ich dessen Notwendigkeit ein, galt es doch, das groЯe kommunistische Vaterland zu erhalten. Als ich jedoch eines Morgens nach wochenlanger Fahrt in irgendeinem Viehwagen von Sibirien her von russischen Soldaten tief im Winter des Jahres vierzig, mitten in einer Schar zerlumpter Gestalten, ьber eine jдmmerliche Holzbrьcke getrieben wurde, unter der sich trдge ein schmutziger FluЯ dahinschleppte, Eis und Holz treibend, und als uns am andern Ufer die aus den Morgennebeln tauchenden schwarzen Gestalten der SS in Empfang nahmen, begriff ich den Verrat, der da getrieben wurde, nicht nur an uns gottverlassenen armen Teufeln, die nun Stutthof entgegenwankten, nein, auch an der Idee des Kommunismus selbst, der doch nur einen Sinn haben kann, wenn er eins ist mit der Idee der Nдchstenliebe und der Menschlichkeit... Ich lieЯ jede Hoffnung fahren."4 Sobald eine ehemalige Antifaschistin, nun aber Assistentin und sogar Geliebte eines SS-Folterknechtes dies bekennt, darf sie keine Kommunistin mehr, geschweige denn ein Stalin-Opfer, gewesen sein - diese Zeilen wurden vom bulgarischen Zensor bedenkenlos gestrichen.

Jede ДuЯerung und gar Anspielung darauf, daЯ im heutigen RuЯland "auch Grausamkeiten vorkдmen" und es dort "noch verfolgte und gemarterte Menschen gдbe" oder daЯ "die kommunistische Partei auch Bцses getan habe"5, ist, weil antisowjetisch, also feindlich, aus dem Romantext spurlos verschwunden. GutzuheiЯen waren statt dessen Behauptungen, die das Bild der kapitalistischen Schweiz als Polizeistaat bekrдftigen, in dem Ausbeutung, Geldgier und Lebensangst herrschten, wie z.B.: "Das ist Bern immer gewesen, ein trostloses Polizistennest; eine heillose Diktatur hat in dieser Stadt seit jeher genistet. Schon Lessing wollte eine Tragцdie ьber Bern schreiben." Oder: "Wer ist nicht alles unter den Strich gesunken in diesem Land, wo man immer noch vom Raunen der Seele dichtet, wenn ringsum die ganze Welt zusammenkracht!" Und dann: "Man will das Leben genieЯen, aber kein Tausendstel von diesem GenuЯ abgeben, kein Weggli und kein Rдppli, und wie man einmal in einem tausendjдhrigen Reich den Revolver entsicherte, sobald man das Wort Kultur hцrte, so sichert man hierzulande das Portemonnaie."6

Geradezu erpicht war der Zensor darauf, kein Lobeswort zum schweizerischen Demokratiemodell zuzulassen. Der Text wurde sorgfдltig von schдdlichen Ansichten wie der folgenden "gesдubert": "Wichtig ist, daЯ die Wahrheit gesagt werden kann und daЯ man den Kampf fьr sie fьhren darf und nicht gleich nach Witzwil kommt. Das ist in der Schweiz mцglich, wir sollen das ruhig zugeben und auch dankbar dafьr sein, wir haben uns vor keinem Regierungs- oder Bundesrat zu fьrchten, oder wie die Rдte alle heiЯen." Schon der nдchste Satz aber bestдtigt das offizielle Bild vom Westen und konnte bleiben: "Freilich, es muЯ mancher dabei in Lumpen gehen und lebt etwas ungemьtlich ins Blaue hinein. DaЯ dies eine Schweinerei ist, gebe ich zu."7

Jedoch eine Reihe von ДuЯerungen, die das Abendland als ein Nest der "ideologischen Diversion" und der Spionage gegen die sozialistischen Lдnder sowie des Zionismus und der Drogensucht eher bestдtigen, wurden vom Zensor gleichfalls gestrichen, und zwar wegen der Befьrchtung, sie kцnnten sich auf die politisch noch nicht ausreichend geschulten jungen bulgarischen Literaturfreunde negativ auswirken.

Als "ideologische Diversion" galten jegliche Stellungnahmen zu philosophischen und religiцsen Fragen in Werken nichtmarxistischer Schriftsteller - sie wurden von indoktrinierten Literaturkritikern in Buchbesprechungen meistens als existentialistisch "demaskiert". Das konnte fьr Ьbersetzer und Verlagslektor schlimme Folgen haben: vom unbefristeten Reiseverbot fьr das westliche Ausland bis zur Entlassung aus der Arbeitsstelle oder der Ausweisung. Um dies zu vermeiden, muЯte ein Lektor bei einem bьrgerlichen, d.h. auch schweizerischen Autor besonders wachsam vorgehen. So wurden manche philosophischen und ethischen Auffassungen in Dьrrenmatts Roman, obwohl absichtlich oft ad absurdum gefьhrt, vom Zensor vorsichtshalber gestrichen.

Verschwunden sind in der bulgarischen Ьbersetzung Zeilen wie: "Nichts ist sich selber in dieser Welt, alles ist Lьge... Die Mathematik lьgt, die Vernunft, der Verstand, die Kunst, sie alle lьgen... Da werden wir, ohne gefragt zu werden, auf irgendeine brьchige Scholle gesetzt, wir wissen nicht wozu; da stieren wir in ein Weltall hinein, ungeheuer an Leere und ungeheuer an Fьlle, eine sinnlose Verschwendung, und da treiben wir den fernen Katarakten entgegen, die einmal kommen mьssen - das einzige, was wir wissen."8 Oder: "Die Erde ist zu alt, um noch ein Ja, Ja zu werden, das Gute und das Bцse sind zu sehr ineinander verschlungen in der gottverlassenen Hochzeitsnacht zwischen Himmel und Hцlle, die diese Menschheit gebar, um je wieder voneinander getrennt zu werden."9

Beseitigt wurden zudem auch Aussagen, welche die Pflichtdoktrin des Marxismus-Leninismus in ihrem Bestreben, eine glьckliche kommunistische Zukunft fьr die Menschheit zu beschwцren, wenn auch indirekt, in Zweifel ziehen, wie z.B.: "Es ist Unsinn, an die Materie zu glauben und zugleich an einen Humanismus, man kann nur an die Materie glauben und an das Ich. Es gibt keine Gerechtigkeit - wie kцnnte die Materie gerecht sein -, es gibt nur die Freiheit, die nicht verdient werden kann - da mьЯte es eine Gerechtigkeit geben -, die nicht gegeben werden kann - wer kцnnte sie geben -, sondern die man sich nehmen muЯ. Die Freiheit ist der Mut zum Verbrechen, weil sie selbst ein Verbrechen ist."10

Der bulgarische Zensor hat sich sogar bemьht, ideologisch unrichtige Ansichten von Romanpersonen durch Дnderungen oder Ergдnzungen zu "verbessern". Im Originaltext heiЯt es: "Das Gesetz ist das Laster, das Gesetz ist der Reichtum, das Gesetz sind die Kanonen, die Trusts, die Parteien"11. In der Ьbersetzung aber sind "die Parteien" wegradiert und durch "das Kapital" ersetzt worden, obendrein hat man die Bestimmung "in dieser verfallenen Welt"12 hinzugefьgt, damit der Leser genau weiЯ, daЯ hier die kapitalistische Schweiz, aber keinesfalls das sozialistische Bulgarien in Betracht kommt.

DaЯ der Westen fьr die kommunistische Propaganda auch als ein Nest der Weltspionage galt, kann durch die Zensurstreichungen und -дnderungen jener Romanstellen belegt werden, wo die geheimnisvolle Tдtigkeit des ruhelos durch die Welt irrenden Juden in der Sowjetunion erwдhnt wird, zumal er immer wieder in die Schweiz zurьckkehrt. Es sind hauptsдchlich Dialogsдtze wie: "Bist du denn wieder in RuЯland gewesen?" - "Mein Geschдft, Kommissar. Du weiЯt, wofьr ich kдmpfe.", oder: "Leb wohl, Kommissar, es geht auf eine nдchtliche Reise in die groЯe russische Ebene, es gilt, einen neuen dьsteren Abstieg in die Katakomben dieser Welt zu wagen, in die verlorenen Hцhlen jener, die von den Mдchtigen verfolgt werden."13 Der letzte Satz wurde vom Zensor stark reduziert und dadurch sinnverдndert.

Als die bulgarische Ausgabe von Dьrrenmatts Roman zum Druck vorbereitet wurde, waren nur wenige Jahre nach dem Israelisch-Arabischen "Sechstagekrieg" vergangen, der zum Abbruch der diplomatischen Beziehungen mit Israel durch die Sowjetunion und fast alle anderen kommunistischen Staaten gefьhrt hat. Das Propagandabild von dem Westen als einem Nest des Weltzionismus, von dem aus die Israelis mit Waffen, Logistik und politischer Unterstьtzung beliefert werden, damit sie ihren imperialistischen Feldzug gegen die fьr den Sozialismus aufgeschlossenen Araber fortsetzen kцnnen, lдЯt sich aufgrund mehrerer Textstreichungen verfolgen.

Vom Zensor entfernt wurden alle zionistisch anklingenden Sдtze wie: "Ich bin ein Jude und... ich liebe das Nationalkostьm meines armen Volkes."14 Oder: "Der Jude im alten, verschimmelten Kaftan"15 Und dann das gefдhrlichste: "Ich war gerecht nach dem Gesetze Mosis, gerecht nach meinem Gotte."16 An vielen Stellen, wo es vom "armen Juden" die Rede ist, wurde dies durch das Harmlosere "armen Menschen" ersetzt.17

Zum kommunistischen Propagandabild gehцrt auch die Vorstellung von dem Westen als einem Nest des Drogenhandels und der Drogensucht. Daher wurden alle Aussagen im Roman beseitigt, welche die Morphiumabhдngigkeit der Chefarztassistentin begrьnden, und zwar aus Angst, sie kцnnten die unerfahrenen bulgarischen Jugendlichen dazu bewegen, diesem Beispiel von westlicher Lebensweise zu folgen. (Es gab bereits frappante Fдlle der Drogensucht unter Kindern von Parteifunktionдren, die ьberallhin in die kapitalistische Welt fahren durften.) Gestrichen wurde also die eigentlich mahnende Beichte der ehemaligen Kommunistin und KZ-lerin: "Die Erde ist nicht mehr als Paradies herstellbar... Wir kцnnen nur noch in unseren Trдumen zurьckgewinnen, was wir verloren haben, in den leuchtenden Bildern der Sehnsucht, die wir durch das Morphium erlangen. So tue ich denn, Edith Marlok, ein vierunddreiЯigjдhriges Weib, fьr die farblose Flьssigkeit, die ich mir unter die Haut spritze, die mir am Tag den Mut zum Hohn und in der Nacht meine Trдume verleiht, die Verbrechen, die man von mir verlangt, damit ich in einem flьchtigen Wahn besitze, was nicht mehr da ist: diese Welt, wie ein Gott sie erschaffen hat."18

Die Zensurstreichungen und -дnderungen in der Ьbersetzung von Friedrich Dьrrenmatts Roman "Der Verdacht" beziehen sich auf einzelne Wцrter, aber auch auf ganze Textseiten. Sie hatten unter anderem den Zweck, das "bьrgerliche" bulgarische Bild vom Abendlande zu verдndern, mцglichst einseitig neuzugestalten und auf ein gдngiges, fьr die ideologische Schulung der Bevцlkerung brauchbares Klischee zu reduzieren - also in einen Antimythos zu verwandeln, der von HaЯ, Neid und einem vorprogrammierten MiЯtrauen geprдgt worden war. Dabei hat der schweizerische Dichter in der Person des kommunistischen Zensors sinen Henker gefunden.

 

 

ANMERKUNGEN:

1. Friedrich Dьrrenmatt: "Der Verdacht". Roman. (bulg.), Ьbersetzung ins Bulgarische von Wenzeslav Konstantinov, Verlag "Narodna mladesh", Sofia 1972 [back]

2. Friedrich Dьrrenmatt: "Der Verdacht". Roman., Rowohlt Taschenbuch Verlag GmbH, Reinbek bei Hamburg 1961, S.16 [back]

3. "Der Verdacht" (bulg.), S.17 [back]

4. "Der Verdacht" (dt.), S.81 [back]

5. Ebd., S.28,33,34,87,107,109,121 [back]

6. Ebd., S.52 ff [back]

7. Ebd., S.55 [back]

8. Ebd., S.84 [back]

9. Ebd., S.87 [back]

10. Ebd., S.110 [back]

11. Ebd., S.84 [back]

12. "Der Verdacht" (bulg.), S.84 [back]

13. "Der Verdacht" (dt.), S.26 f,116,120 [back]

14. Ebd., S.26 [back]

15. Ebd., S.33 [back]

16. Ebd., S.119 [back]

17. Ebd., S.27,35,38,119,120,121 [back]

18. Ebd., S.88 [back]

 

 

© Wenzeslav Konstantinov
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© E-magazine LiterNet, 08.02 2003, 2 (39)