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MATJU Dimitar Atanassov Apfelsommer: da ging ich mit dem Maler Matju Mateev zum Pjasatschnik=See angeln. Die Ernte war im vollen Gange. Der Stausee lag so wonnig=verborgen inmitten der üppigen Pracht der Apfelgärten, dass man der Verlockung, vom Weg abzubiegen, kaum widerstehen konnte. Wir warfen die Angeln aus. Saßen in der friedlichen Stille und plauderten. Der Abhang aus warmen Wasserfarben - gemütlich und entspannend grün. Die Fische sprangen aus dem Wasser und phosphorglitzerten im Sonnenlicht. Unsere Plauderei aber floss angenehm endlos dahin, schwebte überm Wasser, durchsichtig und ruhig. Von Zeit zu Zeit schüttelte das Gespräch seine Schwermut ab, zuckte planschend mit der Flosse und trieb das Wasser in Kreisen auseinander. Wir fingen nichts. Na ja, fast nichts. Matju zog zwei kleine Karpfen heraus und warf sie ins Wasser zurück. Versicherte ihnen, wenn sie denn gewachsen wären, kämen wir wieder. Später pflückten wir Äpfel und kamen in der Abenddämmerung in die Stadt zurück. Wir kehrten im TV=Klub ein. Bei ein paar Gläsern Schnaps sannen wir weiter über die Wasserkreise nach. Dabei entdeckten wir, zu unserer Überraschung, dass nicht wir miteinander, sondern die Fische mit uns geplaudert hatten. Und da war noch was Geheimnisvolles, das uns bei der ganzen Sache verwirrte. Das wurde uns erst dort, im TV=Klub, klar. Das Geheimnis lag in jenen Wasserkreisen, die so plö tzlich aufgetaucht waren, ganz von selbst, ohne dass ein Fisch gesprungen war. So unerwartet, wie diese Kreise erschienen, so unerwartet verschwanden sie auch wieder - und es hatte uns nicht im Geringsten verwirrt. Erst nach dem dritten Gläschen kriegten wir alles beisammen - die merkwürdige Erscheinung wurde uns klar. Nicht die Fische, sondern unsere Worte hatten im Wasser gebadet und die Wasserkreise gezogen, mit den Korkschwimmern gespielt. Auch deshalb war unser Gespräch beim Schnaps so angenehm. Sprachen wir doch mit Worten, die gebadet hatten. Seitdem machen Matju und ich uns oft kurzentschlossen auf den Weg - mal zum Pjasatschnik=See, mal anderswohin. Nicht nur jene, nun zur vollen Größe herangewachsenen, Karpfen sind zu uns gekommen, sondern auch ihre Kinder und Kindeskinder. Wir gehen aber nicht in erster Linie zum Angeln. Vielmehr um unsere Worte zu baden, ihnen die Alltagskruste abzuwaschen. Matju ist Verwalter des Zlatju-Bojadzhiev-Hauses. Vor einem Monat traf ich ihn in der Altstadt. Er schob sein Rad übers Pflaster. Auf seinem Fahrrad - eine Angel. "Ich war an der Maritza", sagte er. Ich kochte vor Eifersucht, weil er mir nicht Bescheid gesagt hatte. Aber ich tat gleichgü ltig. Fragte, ob er was gefangen hätte. Er lächelte geheimnisvoll. Und, weiter geheimnisvoll lächelnd, griff er in den Beutel. Wenn er jetzt einen Wels herauszieht, platze ich - dachte ich. Er suchte lange herum. Nur ein winziges Fischlein, beruhigte ich mich, das sich in den Falten des Beutels versteckte. Noch immer geheimnisvoll lächelnd, zog Matju ein Manuskript heraus und sagte:"Hier nimm und sieh es dir an." Ich nahm es mit. Zuhause schlug ich es ungeduldig auf. Was aber fand ich darin - gebadete Worte! All die Worte, die er im Lauf der Jahre gebadet, hatte Matju heimlich gesammelt, in einem "wirren Tagebuch", wie er es später nannte. Und diese gebadeten, funkelnden Worte tollten jetzt übermütig wie muntere Forellen über die weißen Seiten seines wirren Tagebuchs. Beim Lesen schlug mich ab und zu ein Wort mit seiner Flosse auf die Stirn - mir wurde visionär zumut. Eine dieser Visionen blieb mir im Gedächtnis. Matju, ein Zentaur mit scharfem, abschätzenden Blick, mit buschigen Augenbrauen und zottigem Bart, hockt, hinter Blattwerk versteckt, auf der Platane im Hof des Zlatju-Hauses in der Altstadt. Sich an die Zweige klammernd, beobachtet er von dort aus das Leben. Hinter ihm sieht man die drei Dinge, die er auf die Platane mit hinaufgenommen hat - eine Palette, eine Angel, eine Leier. Und wenn ich jetzt durch die Saborna-Straße gehe, werfe ich immer einen Blick auf die Platane im Hof des Zlatju-Hauses, ob der Zentaur Matju vielleicht dort ist. Zwischen den Zweigen sehe ich manchmal nur buschige Brauen und schlau=zusammengekniffene lustige Augen. Ein andermal blitzt - wie eine Flosse - ein Gedanke aus den Blättern. Kam ein Tag, da sah ich gar nichts, spürte aber die ganze Zeit seinen scharfen abschätzenden Blick. Da verstand ich. Dort zwischen den Zweigen der Platane versteckt, versunken in der Beobachtung des Lebens, sieht der Zentaur Matju die Wahrheit in uns - wie wir die Saborna-Straße herauf- und hinunterstaksen. Wir wie uns sorgen, schimpfen, uns an einer Kleinigkeit erfreuen - all das fängt er sofort mit seiner Angel ein. Diesen Fang umsorgt Matju dann mit gebadeten Worten und trägt ihn sorgfältig in sein wirres Tagebuch ein. Hat er die Seite vollgeschrieben, legt er die Leier beiseite und nimmt die Palette. So geht es, Tag für Tag. Und er merkt nicht, dass seine struppigen Augenbrauen immer struppiger werden, und der Bart - immer weißer. ENDE
© Dimitar Atanassov
© übersetzt aus dem Bulgarischen von Eli Busdreva und Erika Angelieva © überarbeitung des deutschen Textes: Fred Evert ============================= © E-magazine LiterNet, 23.07.2005, № 7 (68) |